Foto: Christian Haberkorn

easyCredit BBL

Neustart mit vielen Neuigkeiten und einem Neuzugang

medi bayreuth Head Coach Raoul Korner im Interview

Während in München das Final-Turnier der easyCredit Basketball Bundesliga aktuell in die Endphase geht, ist in Bayreuth der Startschuss für die neue Saison gefallen. Neben Alleingesellschafter Carl Steiner und Geschäftsführer Björn Albrecht, die sich gemeinsam aktuell nach wie vor um die wirtschaftlichen Voraussetzungen kümmern, ist nun auch der Mann wieder in Bayreuth zurück, der sich um das Sportliche für die kommende Spielzeit kümmern soll: Head Coach Raoul Korner.

Raoul, schön, dass du wieder da bist! Wie geht es dir?

“Mir geht es extrem gut und ich bin sehr entspannt. Ich habe diese ungewöhnliche Zeit ganz einfach zum Entschleunigen genutzt und Dinge gemacht, für die ich normalerweise keine Zeit gehabt hätte. Trotz aller Schwierigkeiten habe ich die letzte Zeit somit recht positiv für mich selbst empfunden, zumal auch meine Familie, Freunde und auch alle Personen, mit denen ich im näheren Austausch stand, gesund sind.”

Du hast dich am Mittwoch mit Carl Steiner und Björn Albrecht getroffen, um mit den Vorbereitungen auf die neue Saison zu beginnen. Wie könnte man euer Gespräch in wenigen Sätzen zusammenfassen?

“Es war ein sehr konstruktives Meeting und das, nachdem man die letzten Wochen, ja schon fast Monate, sehr damit beschäftigt war, irgendwie zu überleben und den Bundesliga-Standort hier in Bayreuth am Leben zu halten. Zu Beginn von Corona, als die Situation für alle neu war, hat jeder so ein wenig in den Survival-Mode geschaltet und der Club wurde nach dieser ersten Schock-Phase arbeitsrechtlich wie auch sportlich in eine Art künstlichen Tiefschlaf versetzt. Hier waren Carl Steiner und Björn Albrecht in vorderster Linie gefragt, das Fortbestehen des Clubs zu sichern, dem alles andere untergeordnet werden musste. Jetzt beginnen sich die Nebelschwaden bereits ein wenig zu lichten und ich bin froh, dass wir das Vergangene vergangen sein lassen können und unser Blick ab jetzt nur mehr nach vorne gerichtet ist.”

Kann man von einem Restart bei medi bayreuth sprechen?

“Muss man vielleicht sogar, denn viele Sachen werden sich ändern. Ich glaube, dass wir hier nicht die einzigen sein werden, für die die Zeit nach bezeichnungsweise nach wie vor mit Corona einfach anders ist, als es die Zeit davor war. Für uns heißt das jetzt schon einmal die berühmt berüchtigten Backen zusammenzukneifen.”

Neustart mit dir und Bastian Doreth als den beiden Fixpunkten. Bei Lukas Meisner ist in diesen Tagen die Frist im Hinblick auf seine Option im Vertrag verstrichen. Wie ist hier der Stand?

“Wie ja offen nach Außen kommuniziert, hatten beide Seiten bis Mitte des Monats die Gelegenheit, sich aus diesem laufenden Vertrag herauszukaufen. Lukas hat von diesem Recht Gebrauch gemacht, zunächst einmal der Tatsache geschuldet, um weiter zeitlich flexibel zu sein. Der Spielermarkt in Deutschland bewegt sich aktuell nahezu überhaupt nicht. 

Ich stand und stehe mit unseren deutschen Spielen in regelmäßigem Austausch und schon hier hatte mir Lukas immer wieder gesagt, dass er aus privaten Gründen eine heimatliche Veränderung in Richtung Norden anstrebt. Da man derzeit aber noch nicht abschätzen kann, ob das denn auch möglich sein wird, sind noch alle Türen offen. Die angesprochene Frist im Vertrag bestand nunmal und um eben auch weiter flexibel zu bleiben, hat Lukas seine Option gezogen. Ob das jetzt definitiv auch Abschied von Lukas heißt, kann ich derzeit nicht einschätzen.”

Wenn sich der Spielermarkt aktuell so gut wie nicht bewegt, wie kann man da überhaupt eine neue Mannschaft zusammenbauen?

“Zunächst einmal muss man eine Idee entwickeln, was man genau möchte. Dann  gilt es zu schauen, wann die Saison überhaupt losgeht. Hier rechnen wir im Moment mit einem pünktlichen Beginn Ende September. Dennoch ist es aber schwierig, auf diesen Zeitpunkt hin Verträge abzuschließen, denn sollte sich der Ligastart nach hinten verschiebt, steigen gleich auch wieder die Kosten. 

Wir haben für die kommende Saison jetzt einmal einen Etat festgelegt, der aufgrund der vielen nach wie vor offenen Fragen, wie zum Beispiel wann wieviele Zuschauer bei Spielen wieder in der Halle dabei sein können, bis hin zur Bewertung der allgemein doch schwierigen wirtschaftlichen Lage bei unseren Sponsoren, nach unten korrigiert wurde. Da die Situation aber für alle Clubs ähnlich sein wird, kann genau das auch eine gute Chance für uns sein. Wenn es uns nämlich gelingt, zusammenzustehen und auch zusammenzuhalten, werden wir hier alle gemeinsam die Situation gestärkt meistern.  

Mit diesem Etat ist es mir aber zumindest vorsichtig möglich, in den Markt hineinzuhorchen, was so da ist. Wir alle hier wissen, dass das eine Mammutaufgabe und eine riesengroße Herausforderung sein wird. Wir sind aber auch alle extrem motiviert, uns dieser Aufgabe zu stellen und wollen versuchen, eine Mannschaft aufs Parkett zu bekommen, auf die wir alle stolz sein können und die uns positiv überraschen wird.“

Wann kann man dann überhaupt mit dem ersten Neuzugang rechnen?

“Wie wäre es mit jetzt? (Coach lacht!) Natürlich waren wir die letzten Tage nicht untätig und haben in der Tat unseren ersten Neuzugang bereits dingfest machen können. Es ist ein Spieler, den ich eigentlich die ganze Saison über beobachten konnte, weil er in Österreich gespielt hat. Es handelt sich um Philip Jalalpoor, ein deutscher Guard, der gerade seine zweite Profisaison hinter sich hat. Philip war in Kanada auf dem College der University of British Columbia und kommt somit aus einem Basketball-Programm, aus dem ich schon einige Spieler in meinen Teams hatte. Danach hat er es in der zweiten Liga in Spanien probiert, bevor er in der letzten Saison in Österreich für St. Pölten eine wirklich sensationelle Saison gespielt hat. 

Er ist sicherlich ein wenig Ausdruck, in welche Richtung unser Recruiting in dieser Saison gehen muss, nämlich Spieler zu holen, bei denen wir das Potenzial sehen, dass sie in der BBL funktionieren, die sich aber erst auf diesem Niveau beweisen müssen. 

Im Fall von Philip ist der Schritt zu uns genau das, was er seit seiner Jugend angestrebt hat. In der BBL zu spielen ist für ihn eine große Chance und wir denken, dass er uns helfen kann, nächste Saison Spiele zu gewinnen, auch wenn er natürlich nicht derartige Zahlen wie in Österreich auflegen wird.“

(Einen ersten Eindruck von Philip kann man sich hier machen: https://www.youtube.com/watch?v=9QZQ4AH0W8M - Ausführlicher Bericht folgt)

Mit seinen 27 Jahren ist Philip Jalalpoor zwar kein ganz junger Spieler mehr, aber doch einer, der in Bayreuth den nächsten Schritt in seiner Karriere machen möchte. Stichwort Nachwuchs … wie steht es denn um die TenneT young heroes Talente, wie Wenzl, Perschnick, Feneberg, Pryszcz oder auch Krug, die hier in Bayreuth bereits spielen?

Mit Nico Wenzl haben wir einen dieser jungen Spieler für die kommende Saison bereits unter Vertrag. Ich werde mich in den nächsten Tagen mit allen Genannten ausführlich zusammensetzen, um deren Zukunft zu besprechen. Vorerst müssen sich drei von ihnen aber erst einmal auf ihre Abiturprüfungen konzentrieren.

Leider müssen wir der Tatsache Rechnung tragen, dass wir kommende Saison keinen Spieler zusätzlich in der ProB spielen lassen können, da sich die Kooperation mit dem BBC Coburg in logistischer und sportlicher Hinsicht als nicht sinnvoll erwiesen hat. Der direkte Sprung von der NBBL bzw. zweiten Regio in den BBL Kader ist aber gewaltig und wird für einige Spieler nicht so leicht zu bewältigen sein.

Andererseits werden wir in der kommenden Saison nicht die Möglichkeit haben, unser BBL-Team in dieser Breite aufzustellen und so in der Rotation sicherlich nicht auf zehn gestandene BBL-Spieler zurückgreifen können. Hier eröffnen sich dann ganz automatisch Chancen für den zehnten, elften oder auch zwölften Mann - bei entsprechenden Leistungen - auch Spielzeit abzugreifen.”

Bleiben wir beim Nachwuchs: Mit Pascal Heinrichs und John Dieckelman verliert der Trainerstab der TenneT young heroes gleich zwei erfahrene Coaches.

“Das tut mir persönlich sehr leid, es ist aber einfach der Situation geschuldet, dass es hier aufgrund der Situation nicht möglich war, die Verträge der beiden zum damaligen Zeitpunkt zu verlängern. Dass sich beide daraufhin nach Alternativen umgeschaut haben, ist zu 100 Prozent nachvollziehbar und verständlich.

Wenn auch für uns schade freut es mich, dass beide in dieser schwierigen Zeit neue Herausforderungen gefunden haben. Mit John, der ja auf mein Betreiben hier in Bayreuth gelandet war, verlieren wir einen Mann, der mit seiner enormen Kompetenz und Erfahrung nur sehr schwer zu ersetzen sein wird. Auf der anderen Seite freue ich mich mit ihm, denn er wird in Luxemburg ein Profiteam als Head Coach übernehmen. Pascal Heinrichs Weg führt nach Trier an die Seite von Marco van den Berg, den ich sehr schätze. Auch ihm wünsche ich noch einmal alles Gute bei seiner neuen Aufgabe. Die hinterlassenen Lücken müssen wir nun so schnell wie möglich schließen.” 

Wir reden gerade über die neue Saison - in München geht die aktuelle Serie gerade in die entscheidende Phase. Verfolgst du die Spiele des Final Turniers?

“Ich habe fast alle Spiele gesehen und bin sehr positiv von der Organisation dieses Turniers angetan. Es wirkt alles sehr stimmig und unterhaltsam. Insgesamt fand ich die Lösung, es den Club selbst zu überlassen, ob sie weiterspielen wollen oder nicht, als die beste. 

Das Turnier bietet Spannung und schreibt seine eigenen Geschichten. Auch die Übertragungen mit den vielen Hintergrundberichten ist extrem professionell, wie man das von MagentaSport gewohnt ist und man holt wirklich das Maximum aus diesem Event heraus. Bleibt nur zu hoffen, dass uns die letzten Runden noch spannende Playoffs bieten und sollte am Ende eine Überraschung herauskommen, hätte diese Turnierform noch einmal einen ganz besonderen Reiz.”

Seit dem Sieg der Ludwigsburger scheint eine Überraschung ja doch möglich!

“Nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich, denn es gibt in diesem Turnier für mich vier Mannschaften, die bisher mehr überzeugt haben als der FC Bayern München. Auf der anderen Seite sind die Münchner ein Team, das so viel individuelle Klasse hat und sich wieder zusammenreißen kann, wenn es denn eben darauf ankommt. Ludwigsburg ist für sie aber jetzt schon die erste große Hürde und wenn die RIESEN heiß laufen und man selbst nicht gefestigt auftritt, gewinnt man eben nicht.”

Wer wird denn dann am Ende triumphieren?

“Mein ursprünglicher Tipp waren ja die Bayern, wobei ich bei meinem ersten Tipp für den österreichischen Basketball Verband komplett überrascht wurde. Da war ich noch im "Kein-Basketball-Modus" und wusste gerade einmal, welche Teams dabei sind. Mit meinem heutigen Wissensstand sehe ich ALBA BERLIN jetzt in der klaren Favoritenrolle.

20|21 wird eine schwierige Saison … was wünschst du dir von Bayreuth, von den medi-Fans?

“Das Allerwichtigste ist einmal festzustellen, dass wir mit Jammern und Selbstmitleid nicht weit kommen werden. Wir waren hier noch nie auf Rosen gebettet und haben es dennoch immer wieder geschafft, positiv zu überraschen, tolle Erlebnisse in der Saison zu haben und letztendlich mehr zu erreichen, als wir eigentlich hätten erreichen dürfen. Die Situation wie sie sich jetzt im Moment darstellt war sicherlich noch nie so schwierig, aber genau deshalb wünsche ich mir, dass wir gerade jetzt alle zusammen voller Elan voran marschieren, die Ärmel aufkrempeln, die schon einmal zitierten Backen zusammenkneifen und alles in unserer Macht stehende tun, um den Bayreuther Bundesliga Basketball bestmöglich durch diese schwierige Phase zu manövrieren. Wenn wir alle zusammenhalten, packen wir das!”